war das “ Bürgerforum „Polizeistrukturreform und Personalabbau – Wie sicher leben wir in der Uckermark?““ welches am Montag in Angermünde stattfand.
Dass Wahlkampf betrieben wurde, lag in der Natur der Sache, denn schließlich war die Brandenburgische CDU-Landtagsfraktion der Veranstalter. Dass aber wieder die „alte Leier“ von Zuständigkeiten oder angeblichen Nichtzuständigkeiten „gedreht wurde“ ist angesichts der Entwicklungen in den Grenzregionen mehr als bedauerlich. Aber der Reihe nach.
Das Podium war interessant und durchaus hochkarätig besetzt durch:
- MdL Björn Lakenmacher, Innenpolitischer Sprecher der CDU Landtagsfraktion
- MdB Jens Koeppen
- Ministerialdirigent Dr. Kai-Andreas Otto, Unterabteilungsleiter Grundlagen der Innenpolitik des Bundesinnenministeriums
- MdL Henryk Wichmann, der die Veranstaltung moderierte
- Polizeidirektor Hans-Jürgen Klinder, Leiter der Polizeiinspektion Uckermark
- Ralf Roggenbuck, Landesvorsitzender des Deutschen Beamtenbundes und Staatsanwalt aus Potsdam
- Michael Brandig, Unternehmensvertreter und Gründer der Sicherheitsinitiaive Uckermark und
- Volker Wanders, 1. Stellvertretender Landesvorsitzender des Bundes deutscher Kriminalbeamter
Den Impulsvortrag lieferte MdL Lakenmacher. Er stellte zunächst nochmals die „Geschichte der Polizeireform“ aus seiner Sicht dar, und machte deutlich, dass hierbei die besondere Lage Brandenburgs an der zur EU-Binnengrenze zu Polen völlig unzureichende Berücksichtigung gefunden hätte. Denn man hätte nicht berücksichtigt, dass diese noch immer eine Wohlstandsgrenze geblieben sei.
Er begrüßte, dass der Einsatz der Hundertschaften entfristet worden sei, bezweifelte aber, dass der Einsatz von drei Vierteln der Bereitschaftspolizeikräfte des Landes, der richtige Weg sei, um den „Marathon“ bei der Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität auf Dauer gewinnen zu können. Denn durch die Polizeireform würden alleine in Ostbrandenburg bis 2020 etwa 750 Polizisten weniger vorhanden seien – also mehr als doppelt so viele wie drei Hundertschaften!!! Er forderte in diesem Zusammenhang eindringlich die vierte Hundertschaft nicht aufzulösen.
Bisher konnte man hier nur zustimmen, leider wurde aber nun „die Leier“ das erste Mal „gedreht“, denn es wurde von MdL Lakenmacher in den Raum gestellt, dass die Bundespolizei (im Grenzraum) ja nur für die Bekämpfung der illegalen Migration zuständig sei und hierfür möglicherweise sogar etwas Personal „über den Durst“ hätte. Anwesende Bundespolizisten, wie der Vorsitzende des Personalrates der Bundespolizeiinspektion Angermünde, Norman Brykczynski und Mitgleider des Personalrates der Bundespolizeidirektion Berlin aus der Grenzregion, glaubten in diesem Moment so etwas wie einen Hörsturtz erlitten zu haben…
MdL Lakenmacher stellte nun dar, dass das Polizeirevier Angermünde 2012 noch 19 Polizeibeamte gehabt hätte, 2013 seien es noch 17 und 2020 würden es nach derzeitigem Stand nur noch 5 seien. Damit könne die Sicherheit der Menschen wohl kaum noch gewährleistet werden. Bereits jetzt sei es der Regelfall, des es für die gesamte Uckermark nur noch 5 Funkstreifenwagen gäbe, welche im Einsatz sind. Also 1 je Revier.
Die Begründungsmuster der Polizeireform seien immer gleich:
- Brandenburg hätte in Zukunft weniger Einnahmen und
- es gäbe den demografischen Wandel.
ABER!!!
- Die Uckermark bleibe so groß wie sie ist und
- Es dürfe keine Zweiklassengesellschaft in Sachen innere Sicherheit geben, zwischen dem Speckgürtel und z.B. der Uckermark. Überall hätten die Bürger ein Recht darauf, dass die Polizei schnell zur Hilfe eilen könne.
Im Anschluss stellte der Leiter der PI Uckermark die Entwicklung der Kriminalität an hand der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) für die Uckermark dar. Wie bei vielen anderen Statistiken aus diesem Berich, scheint es einen positiven Trend zu geben. Die später folgende Diskussion zeigte jedoch mehr als deutlch, dass diesen Statistiken kaum noch jemand Glauben schenken mochte.
Als nächster aus dem Podiumskreis sprach Ministerialdirigent Dr. Kai-Andreas Otto. Er führte aus – „Leier die nächste Drehung“ – dass Zoll und Bundespolizei, „täten, was sie dürften“… Zum Beispiel mit der GOF Uckermark, die Bundespolizei aber nur für die Migration zuständig sei…
Trotzdem versuche man, auch mit gemeinsamen Streifen mit dem polnischen Grenzschutz, hier grenzüberschreitend zusammenzuarbeiten, um auch die grenzüberschreitende Kriminalität zu bekämpfen. Man versuche alles, um das dringend notwendige (neue) Polizeiabkommen mit Polen noch in diesem Jahr auf die Beine zu bringen, leider gäbe es gewisse Widerstände in Warschau.
Ministerialdirigent Otto bat auch den Bürger selbst etwas für ihre Sicherheit zu tun: „Geben Sie aufeinander acht! …
Nun kam Michael Brandig an die Reihe. Er machte unmissverständlich klar: „Wir fühlen uns nach wie vor nicht sicher!“ Zur Zeit seien für viele Unternehmen zunehmende „Kleindiebstähle“ – vom Werkzeug bis zum Dünger – das Problem, denn diese zahle keine Versicherung. Dies Häufung sei oft schon existenzbedrohend. Bezüglich der PKS meinte er, dass es aus seiner Sicht einen Unterschied gäbe, zwischen dem was öffentlich gesagt werde, und dem was Tatsachen seinen.
Zum Beispiel sei es so, dass z.B. Freiwillige Feuerwehren bei Einsätzen oft Stunden auf die Polizei warten müßten, Zeit in der die Arbeitgeber auf ihre Mitarbeiter verzichten müßten, aber niemand komme hierfür auf… Grund sei die chronische Überbelastung der Polizei, die sich seinen Informationen nach auch in 33 Krankentagen pro Jahr bei den Beamten ausdrücken würde, was die Situation noch verschärfen würde.
Er machte klar: „Nur mit einer starken Polizei kann es besser werden!“
Dann sprach MdB Koeppen:
Aus seiner Sicht sei die „Polizeiarbeit am Limit“, denn die „Reformen (!sic!) würden auf dem Rücken der Beamten augetragen!“ Seiner Meinung nach müsse die Polizeireform sofort gestoppt und der Wach- und Wechseldienst gestärkt werden.
Auch könne es nicht sein, dass (irgendwie die nächste Leier…) der Bund an allem Schuld sei und mehr tun solle, das Land sich aber „jede Einmischung“ verbiete…
Aber MdB Koeppen kam auch zu Schlußfolgerungen, die wie die Onlineredaktion findet, sich alle seine Politikerkollegen „hinter die Ohren schreiben sollten“:
„Der Einsatz der Hundertschaften habe gezeigt, dass nur mehr Personal (Polizei) zu mehr Erfolg führt!“ UND „Die Fläche beibt ein bedeutender Fakt!“
Er kam zu dem Ergebnis: 250 Beamte für die Uckermark reichen einfach nicht! Auch interessant ist seine Aussage, dass Landes- und Bundespolizei bei der Kriminalitätsbekämpfung beide besser werden müßten…
Ungewöhnlich deutlich waren die Ausführungen von Ralf Roggenbuck:
Er führte den statistischen Rückgang in der PKS vor allem auf eine Änderung des Anzeigeverhaltens der Bürger zurück. Nach der x-ten Mitteilung über eine Verfahrenseinstellung, würden die Betroffenen einfach nicht mehr zur Polizei gehen! Ähnlich sei es bei Kontrolldelikten, wie Alkoholfahrten o.ä. Es werde doch plötzlich nicht weniger getrunken, sondern es werde aus Personalmangel einfach nur weniger kontrolliert.
Ausserdem mache sich der Personalmangel bei der Polizei auch bei der Qualität der Vorgänge, die an die Staatsanwaltschaften abgegeben würden bemerkbar, es würde einfach nicht mehr so gründlich wie früher gearbeitet und ermittelt. Daher müssten auch mehr Verfahren aus Mangel an Beweisen eingestellt werden.
Roggenbuck mahnte an, dass die Entwicklungen nicht dazu führen dürften, dass es zur Selbstjustitz komme oder es Sicherheit nur für Reiche gäbe – „heftig“ dieses aus dem Munde eines Staatsanwaltes zu hören!!!
Auch er kam zu dem Schluss, dass dringend mehr Polizei eforderlich ist.
Als letzter Redner aus dem Podium sprach Volker Wanders.
Er beklagte die Überalterung der Kripo. Da so wenige jüngere Kollegen, meist auch sehr spät nach ihrer Ausbildung nachrückten, sei der Wissenstransfer auf diese sehr schwierig. Auch sei die Kripo stark überlastet, was besonders bei größeren Verfahren dazu führe, dass den hohen Anforderungen an die Beweismittelqualität nicht mehr in jedem Falle Genüge getan werden könne. Er forderte auch, dass es wieder die Möglicheit einer Erstverwendung bei der Kipo nach der Ausbildung geben müsse. Auch er wisse, dass die steigende Kriminalität für Unternehmen zur Existenzbedrohung werden könne.
MdL Lakenmacher faßte die Vorträge nochmals zusammen, so ausführlich, dass er aus dem Publikum „gebeten“ wurde, sich doch bitte an die alten Schilder in Telefonzellen zu erinnern: „Fasse Dich kurz!“ …
Das machen wir auch:
Mit dem Einsatz der drei Hundertschaften, wurde der (statistische) Kriminalitätsrückgang auf jeden Fall und im Wortsinn „teuer erkauft“!
UND
Lakenmacher appellierte dringend dazu, jede, auch die kleinste Straftat anzuzeigen!!!
Nicht ohne Grund ergriff in der Diskussion Norman Brykczynski als erster das Wort…
Er machte darauf aufmerksam, dass die Bundespolizei in Nordostbrandenburg von ehemals drei Inspektionen (Gartz, Angermünde und Manschnow) mit fast 700 Mitarbeitern auf eine Inspektion in Angermünde und Revieren in Gartz und Manschnow mit ca. 300 Mitarbeitern geschrumpft wurde. Von diesen 300, würden 140 Mitarbeiter ständig an sogenannte Schwerpunktdienststellen, wie die Flughäfen abgeordnet sein. Ferner würde die Budespolizeiinspektion Angermünde fast 20.000 Vorgänge im Jahr aus dem gesamten Bundesgebiet im Bereich der Fahrgelddelickte bearbeiten. Die Überbelastung führe dazu, dass viele Kollegen krankheitsbedingt oder familiär nicht mehr voll verwendungsfähig sind.
Ihm schloss sich ein Redner an, der sich sogar dazu verstieg, mehr Kompetenzen für private Sicherheitsdiesnte zu fordern… – Sicherheit nur für Reiche…
Ein ehemaliger Kripomann erinnerte daran, dass es in Brandenburg einmal 300 zivile Fahndungsbeamte gab, von denen es heute nur noch knappe 100 gäbe…
Eine Dame aus dem Publikum stellte die berechtigte Frage, wer denn alles – Polizei, Bildung, Straßenbau etc. alles bezahlen solle…
Auch der Bürgermeister der Gemeinde Tantow meldete sich zu Wort – ein Dank an den Kollegen aus dem Personalrat der Direktion Berlin – der ihm sein Rederecht überließ…
Erster Punkt waren gewisse Defizite beim Umgang der Polizei mit Opfern von Straftaten. So könne es nicht sein, dass dem Bürger, der eine Straftat melden wolle, am Telefon zu erst die Frage gestellt würde, „Können Sie Internet?“
Ebenso darf es einfach nicht sein, dass bei einem Einbruch in den Bauwagen der Gemeinde, deren Mitarbeiter VIER geschlagene Stunden auf das Eintreffen der Polizei warten müßten – auch diesen Ausfall ersetzt niemand.
Unverständlich sei auch, dass wenn nach einem Diebstahl den Polizeibeamten ein konkreter Tatverdächtiger benannt würde, diese nicht umgehend beim Verdächtigen mögliches Diebesgut suchen würden…
Auch zum „Leier-Problem“ wurde Stellung bezogen:
Selbstverständlich liegt die Zuständigkeit zur Strafverfolgung bei den hier diskutierten Spielarten der grenzüberschreitenden (Eigentums-) Kriminalität bei der Landespolizei, aber, für deren Verhinderung ist auch die Bundespolizei mit zuständig.
Hierzu zitierte Tantows Bürgermeister aus einem Kommentar zum Bundespolizeigesetz:
Also zur Verhinderung einer Schadensvertiefung hat auch die Bundespolizei einen gesetzlichen Auftrag!
Auch wurde die Bedeutung der deutsch-polnischen Zusammenarbeit hervorgehoben und klargestellt, dass es ja bereits ein Polizeiabkommen gibt, auch wenn dieses durchaus stark verbesserungsbedürftig ist. In diesem Zusammenhang wurde auch an den Vertreter des BMI die Frage gerichtet, warum es im Nordabschnitt der deutsch-polnischen Grenze keine gemeinsame (Pilot-) Dienststelle von Polnischem Grenzschutz und Bundespolizei gäbe.
Diesen Punkt griff auch der Kollege aus dem Personalrat der Bundespolizeidirektion Berlin auf und appelierte dringend – trotz Wahlkampf – alles dafür zu tun, dass ein verbessertes Polizeiabkommen schnellstmöglich kommt.
Der letzte Redner aus dem Publikum rief die CDU Brandenburg dazu auf, möglichst durch einen Wahlsieg die Polizeireform im nächsten Jahr zu kippen. Dazu müssten aber die innerparteilichen Querälen beendet werden. Dies würden nämlich die Bürger sehr genau beobachten!
Hinterlasse einen Kommentar